16 Jahre parteiloser Stadtrat und kein Ende

Die Erfahrung meiner Eltern mit der kommunistischen Partei war für mich prägend. Sie ist Grundlage meiner politischen Bewertungsmaßstäbe. Aber sie hat mich auch sehr allergisch gemacht gegen alle hierarchischen Organisationsformen. Heute sehe ich, wie gefährlich es ist, wenn in einer Partei der Corpsgeist regiert.Wenn die innere Hygiene und Hackordnung wichtiger ist als das Dazulernen. Dann sind nämlich keine Kreativität und keine Kritik mehr möglich. In einer solchen Partei habe ich nichts verloren.

Aus dieser Erfahrung kommt auch meine heutige Parteilosigkeit. Ich bezeichne mich als überparteilich. 1999, bei meiner ersten Kandidatur zum Stadtrat, habe ich mit Gangolf Stocker „parteilos glücklich“ gegründet. Gangolf war immer gegen diesen blumigen (aber zutreffenden) Namen. Ich habe mich damals durchgesetzt. Er hat sich dann aber schnell daran gewöhnt. „Parteilos Glücklich“ scheiterte damals mit 1,4 Prozent. Heute wären wir nach den neuen Wahlgesetzen damit allerdings bereits im Stadtrat. Wir haben nach der verlorenen Wahl viel nachgedacht, viele Papiere und Veranstaltungen gemacht. Alle unter der Überschrift: Wege zur Nachhaltigkeit. Es gab auch von uns organisierte Kongresse an der Uni zur Stadtentwicklung, zum Verkehr, zur Bodenökologie und zum Klimawandel. Das war eine gute Schule. Erst fünf Jahre später, 2004, waren wir mit SÖS „Stuttgart Ökologisch Sozial“ erfolgreich. Als damaliger Spitzenkandidat wurde ich als einer der jüngsten Stadträte gewählt. Spitzenkandidat wurde ich allerdings nur, weil Gangolf Stocker auf seine Kandidatur verzichtete. Er war damals der Geschäftsführer der PDS und wollte eine Kandidatur auf einer „gegnerischen Liste“ vermeiden. Seinen Job hat er damals aber trotzdem verloren. Dafür wurde er ein Mitstreiter. Er war immer mein Mentor und geistiger Förderer. Ich werde nie vergessen, wie er mir klarmachte, dass bei all dieser Aktenflut im Rathaus mein wichtigster Freund der Papierkorb sei. Mir wurde schnell klar, dass er Recht hatte. Wer eigenständige Politik machen will, darf sich nicht in den Vorlagen der Verwaltung verlieren.

Als Einzelstadtrat wirst Du zum Deppen gemacht

Der Sprung in den Gemeinderat klingt groß. Wer als Rat aber keiner Fraktion angehört, ist ein Nichts. Seit 16 Jahren sitze ich jetzt für SÖS im Stuttgarter Gemeinderat. Unser parteifreies Personenbündnis SÖS – Stuttgart Ökologisch Sozial ist nicht mehr als eine Bürger*inneninitiative. Einer unserer ersten Anträge unterstützte den damaligen Bürger*innenantrag für mehr direkte Demokratie. Damals rief mich eine Stadtratskollegin an und meinte dem Sinn nach: „Ja, Herr Rockenbauch, ziehen Sie doch Ihren Antrag zurück, wir wollen doch das Gleiche wie Sie. Wenn wir das über unsere Fraktion machen, ist die Chance auf Erfolg viel größer.“

Erst hielt ich das für einen Scherz, aber kurz darauf bekam ich ein weiteres Beispiel für dieses verquere parteipolitische Denken. Es ging nicht um einen vernünftigen Antrag. Nein, es ging darum, dass niemand zulassen wollte, dass unsere Fraktion mit einem Antrag zum Zuge kam. Wir hatten einen großen Antrag zum Luftreinhalteplan gegen Feinstaub verfasst. In ihm hatten wir die Forderungen des Landesnaturschutzverbandes übernommen. Während der Abstimmung bekam ich dann von der gleichen Fraktion zu hören: „Herr Rockenbauch, ziehen Sie zurück, sonst müssen wir gegen die Forderungen des Landesnaturschutzverbandes stimmen, und das wollen wir eigentlich nicht.“ OB Schuster versuchte die Situation zu entschärfen, indem er mir eben falls riet, nicht auf einer Abstimmung des Antrags zu bestehen. Ich würde dann wenigstens eine schriftliche Antwort von der Verwaltung bekommen. Das alles hatte mit den Inhalten nichts zu tun. Es ging lediglich um Machtdemonstrationen. Der Preis für solche parteipolitischen Machtspiele ist groß. Bis heute haben wir das mit der sauberen Luft immer noch nicht im Griff, und die Menschen in unserer Stadt werden weiterhin unnötig krank.

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